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Begegnungen
Mord mit Aussicht

Mord mit Aussicht

Ein Hauch von Zeitreise liegt in der Luft, wenn man auf dem Vorplatz der Pilgerrast des Wallfahrtskloster Blieskastel auf die mit Haube und Spitze bekleidete Dame zugeht. „Darf ich mich vorstellen: Henrietta, Kammerzofe der Gräfin Marianne von der Leyen“, sagt die sympathische Frau und merkt ganz nebenbei ihr Alter von über 300 Jahren an, als sei das eine absolute Selbstverständlichkeit. Wie dieses Alter zustande käme, würde sie erst am Ende der Tour verraten, denn gerade jetzt müsse man sich erst mal auf die Spur von Räubern, Mördern und Betrügern begeben. Dafür sei man ja schließlich den weiten Weg nach Blieskastel angereist, um von der Zeitzeugin höchstpersönlich pikante Details zu erfahren.

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Henrietta zeigt die Methoden und Tricks von Räubern, Mördern und Betrügern - nicht nachmachen! - © Kevin Ehm

Eigentlich heißt Henrietta in der Moderne Monika Link und ist gelernte Bankkauffrau. Mit ihrer Schauspiel- und Gästeführerausbildung hat die begeisterte Kriminalfachfrau allerdings den Banknoten schnell den Rücken gekehrt und die Kriminalführungen um Blieskastel ins Leben gerufen. Ihre Führungen sind beliebt und basieren auf wahren Geschichten; und das in der perfekten Kulisse der barocken Altstadt Blieskastel inmitten des Bliesgau. Lange hat sie recherchiert, sich mit Juristen und Medizinern getroffen, um den Führungen nicht nur schauspielerisch Substanz zu verleihen. Und das bemerkt man bei jedem Schritt. Ihre Kostüme näht sie selbst und die Mit-Mach-Führungen „Klappe zu, Gatte tot“ und „Sein letztes Mahl“ hat sie sogar selbst geschrieben. Hier sind übrigens tatsächlich die Gäste gefragt den Fall mit versteckten Hinweisen zu lösen.

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Auf den Kriminalführungen wird die Stadt auf eine spannende und teils schaurige Art und Weise erkundet. - © Kevin Ehm

Vollständig in ihrer Rolle führt sie als belesene und wortgewandte Henrietta durch die Altstadt Blieskastels und weiß an nahezu jeder Tür, jedem Erker und jedem barocken Ornament eine Geschichte zu erzählen. Als Kammerzofe sitzt man oft direkt an der Quelle und ist als mittellose Adelige in diese Position gezwungen, gleichzeitig nicht begeistert den hohen Herrschaften alles nachzutragen. Kein Wunder, dass da so manche Geschichte 300 Jahre später ans Licht kommt, denn normalerweise, betont sie, muss eine Kammerzofe ihre Geheimnisse bewahren. Ob es also die abenteuerliche Flucht der Gräfin von der Leyen vor den französischen Revolutionsgruppen, der mysteriöse Mord an Abt von der Leyen oder der Streit um einen Leichenfund an der Blies geht, Henrietta weiß bestens Bescheid über Recht und Ordnung in Blieskastel. Bis hoch über die Stadt geht die Kriminalführung, denn nicht umsonst heißt sie „Mord mit Aussicht“.

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Erzählerisch wird den Besuchenden ein Bild des alten Blieskastels vermittelt. - © Kevin Ehm

Es ist ein bisschen so als würde man mit einer Freundin zum Kaffee die brisanten Geschichten aus der Nachbarschaft teilen oder mit dem Lieblingskollegen über das unliebsame Projekt nörgeln, so sympathisch und vertraut nimmt Henrietta ihre Gäste mit auf den Spaziergang durch die Stadt. Da vergisst man schon mal, dass wir eigentlich das 21. Jahrhundert schreiben und vor der malerischen Orangerie direkt hinter der barocken Schlosskirche gerade ein elektrischer Rasentrimmer die Blumenrabatte pflegt. Achja genau, wieso ist Henrietta eigentlich 300 Jahre alt? Nun das verrät sie eben erst am Ende der Führungen also am besten nach Blieskastel fahren und sie selbst fragen.

Fotos: Kevin Ehm

Zu den Stadt- und Themenführungen Blieskastel geht es hier.

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